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Dienstag, 16. November 2004 |
Hamlet - Corta Madera |
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81,88 kmGesamt:
6579 km |
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wechselnd bewölkt, sonnig |
Ein nebliger Morgen, doch die Sonne gibt sich Mühe, die Zelte
zu trocknen und den Dunstschleier zu vertreiben. Unser teuerstes
Frühstück seit Wochen genießen wir in vollen Zügen.
Gleich nach dem Start gibt es für mich den dritten Platten
in drei Wochen und ich verstehe die Welt nicht mehr. Warum immer
wieder in den neuen Reifen. Sind die Schwalbe Marathon doch nicht
der Hit? Der Vorderreifen sieht nach der kurzen Zeit auch schon
ziemlich abgearbeitet aus. |
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Gleichmäßig rollend geht es nach dieser kurzen Verzögerung
an der Tomales Bay entlang. Marshall, Millerton - die 50-Seelen-Gemeinden
geben sich die Hand und wir können auf der Suche nach einer
Bibliothek nur auf Point Reyes hoffen. Doch wir werden enttäuscht:
In der Schule besteht keine Möglichkeit, der Bookstore ist
geschlossen und die Bibliothek öffnet erst um 16:00 Uhr. Also
weiter Richtung San Francisco! Schon jetzt steht fest, dass es sehr
spät wird und wir entscheiden uns, doch noch einmal zu übernachten.
Es ist bestimmt schöner, morgen in Ruhe die Golden Gate Bridge
zu genießen und noch etwas von der Stadt zu sehen, wenn wir
ankommen. |
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Es geht wieder mal durch sehr hügeliges Land, doch der Wechsel
zwischen Weiden und Eukalyptuswäldern macht die Fahrt recht
abwechslungsreich. Irgendwie habe ich das Gefühl nicht mehr
voranzukommen. Es ist das gleiche Gefühl wie kurz vor Vancouver.
Man fährt und fährt und das Ziel kommt einfach nicht in
Sicht. Es ist dann unheimlich schwer sich zu motivieren, die Gedanken
schweifen ab und die Beine werden schwer. Am Horizont sehe ich das
nächste Unheil kommen: Es geht steil nach oben. Laut Bikebuch
sollten wir hinter Olemo den Highway 1 verlassen, da er zu stark
befahren und zu windig sei. Doch die Landschaft überrascht
mich. Steil geht es in vielen Kurven nach oben und es wird immer
rauher. Komischerweise ist es auf einmal ein geiles Gefühl
so zu klettern und es macht stolz diesen Weg zu fahren. Was wollte
man uns da vorenthalten! |
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Es gibt also viel schöne Arbeit bis Muir Beach und unsere
Entscheidung steht fest. Wir bleiben hier und schlafen am Strand.
Den nächsten Berg nehmen wir morgen. Leider gibt es keine Möglichkeit
etwas zu kaufen und unsere Taschen sind leer. Keine Nudeln, kein
Reis! Wie kann uns so etwas passieren? Doch wir sehen eine Chance,
es gibt ein Restaurant, in dem man uns bestimmt ein paar Nudeln
verkaufen wird. Weit gefehlt! Man kann uns ein Menü kochen,
aber Nudeln oder Reis oder Kartoffeln verkaufen ist nicht möglich.
Also wieder in Serpentinen nach oben. |
Wir sind fast oben angelangt und San Francisco ist schon in Sicht,
da holt uns ein anderer Radler ein und wir kommen ins Gespräch.
Jack lädt uns kurzerhand in seine Wohnung ein. Wenn es uns
nichts ausmacht können wir die 5 Meilen zu ihm fahren und dort
übernachten. Das hört sich nicht schlecht an und würde
auch unser Verpflegungsproblem lösen. Also nur hinter ihm her
fahren. Was dann kommt, kann ich nicht nachvollziehen. Wir fahren
in die Dunkelheit hinein, 18 km bergauf und bergab, durch Einkaufszentren,
Villenviertel, über Freeways, durch den Wald. Irgendwann erreichen
wir die Wohnung. Das war wieder eine der Aktionen, die man nicht
planen kann. So etwas passiert nur auf Reisen. Die Wohnung wirkt
zwar groß, doch in den nächsten Stunden sollen noch ein
Untermieter, ein Hund, eine Freundin (Miss Nigeria 1998), ihre Tochter
und Jacks Sohn auftauchen. Jack ist ein komischer Typ. Überall
Radbilder, ein deutscher und ein amerikanischer Stahlhelm aus dem
Zweiten Weltkrieg, eine Puppe von Bin Laden und Saddam Hussein auf
dem Schrank sowie viele verschiedene Sammelobjekte. Angefangen von
Colaflaschen über Munition bis hin zu Baseballbällen.
Er ist eine Art amerikanischer Patriot. Am Abend kochen wir uns
Nudeln. Jack, die Kinder und die Freundin spielen Playstation. Sieht
so ein amerikanischer Abend mit Besuch aus? |
Wir können ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, dass
wir noch ganz andere Sachen erleben werden... |
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