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01.12.2004

Fahrradschieben gegen den Autostrom

Ersatzteile aus Potsdam / 5000 Kilometer unterwegs mit einem Schweizer / Wundervolles San Francisco

Ich verlasse Vancouver mit einem reichlichen Frühstück, aber bange vor dem Verkehr der Riesenstadt. Viele
Straßen, Tunnel oder Brücken sind für Radler gesperrt: ich muss 25 Kilometer mehr fahren, weil 800 Meter
Tunnel für Radler gesperrt sind.

Der einzige Weg nach draußen führt über die Alex-Fraser-Bridge, die den Fraser River überspannt. Eine gewaltige Spannkonstruktion; mein Radcomputer zeigt 105 Meter Höhe an. Die Zufahrt ist kompliziert beschildert; oft muss man die mehrspurige Fahrbahn queren. Zu allem Übel ist der Fuß- und Radweg mit Mauer und Geländer von der Fahrbahn getrennt, auf der ich angefahren komme. Also schiebe ich gegen den Autostrom zurück, um den Eingang zu suchen. Der weitere Weg ist dann toll ausgeschildert; Autofahrer werden aufgefordert, auf Radler zu achten.

Es ist schön, wenn einem geholfen wird: Schwalli kannte ich nur aus dem Radforum (www.rad-forum.de); er bot mir gleich ein Bett und seine Werkstatt im Keller an. Die Ersatzteile aus Potsdam sind da und werden montiert; die Abfahrt aus Victoria beginne ich mit neuer Kette, neuen Bremsbelägen und neuen Reifen.

Die Fähre soll mich in die USA bringen, diesmal sieht es schon besser aus mit der Grenzsicherheit. Man nimmt Foto und Fingerabdrücke.

Ich erreiche die Straße 101, die mich auf die Idee der Reise gebracht hat und mich nach Mexiko führen soll.

Regen, Regen, Regen!!! Alles nass einpacken, ist nicht schön, und nach zwei Stunden ist auch die Regenjacke durch. Kälte dringt tief in den Körper; die Zeltplätze sind fast alle zu. Es dürfte nicht viele Verrückte in diesen Wäldern geben außer mir und Stefan, dem Schweizer, der seit 5000 Kilometern mal vor und mal hinter mir ist. Unter einem Schutzdach treffe ich ihn wieder; er trocken und heute noch keinen Meter auf dem Rad, ich nass wie ein Pudel. Zehn Minuten später sitzen wir wieder auf dem Rad, doch weit kommen wir nicht. Eine Frau im Jeep hält uns an und fragt, ob einer von uns am letzten Café angehalten hat und eine trockene Unterkunft suchte. "Natürlich, ich!" Sie ist mich extra suchen gefahren und lädt uns zu Kaffee, Kuchen, warmer Suppe ein und einer Gratis-Unterkunft. Doch wir wollen weiter. Später nehmen wir uns ein Zimmer in einer Taucherunterkunft am See, die nur uns beherbergt; wir trocknen.

Nach dem nassen Bundesstaat Washington sind wir froh, Oregon zu erreichen. Wir haben zuletzt sehr viel kostenlos übernachtet: auf Bauernhöfen, neben einer Trafostation, auf dem Parkplatz einer christlichen Begegnungsstätte, in Dünen, auf Raststätten , in Toilettenhäuschen oder zehn Meter neben der Straße im Wald.

Wir kommen gut voran; die Küste ist ein Traum: Felsen im Sonnenschein oder Nebel, Seelöwen, Robben. Wir treffen noch Verrücktere als uns: einen Japaner mit einem riesigen Gitarrenständer auf dem Rad. Joky ist seit zweieinhalb Jahren on Tour von Alaska nach Feuerland und zurück, teils im Flieger, teils per Rad. Er hat als Musiker 60 000 Dollar gespart und 20 000 ausgegeben.

Wir verpassen die Umstellung auf Sommerzeit, frieren in den kalten Abfahrten und schwitzen in den kurzen Anstiegen, fahren mit Plakaten für Kerry in den Wahltag und erleben verständnislos, wie Bush wieder gewinnt.

Kalifornien erwartet uns mit vielen Hügeln und unfreundlichen Menschen. Viele Leute sind misstrauisch. Die Gegend scheint beliebt bei "Heimatlosen" zu sein, die in den Wäldern leben. Uns erwartet aber auch der Redwood Forest, die Avenue der Giganten. Bäume, über 100 Meter hoch, dick und wahnsinnig viele. Da fällt es kaum auf, wenn die Regierung hier eines der größten Holzwerke betreibt und die Transporter Tag und Nacht unterwegs sind. Und in den Wäldern liegen Marihuanafelder! Vielen Menschen sieht man den Gebrauch an: Überall in den Wäldern stehen alte Campmobile, Hütten und Wohnwagen, in denen Leute leben und kiffen.

Wir nehmen einen Nebenweg der so genannten "Lost Coast". Die Sand- und Lehmpiste mit Anstiegen bis zu 20 Prozent versinkt plötzlich in Regen und Schlamm; die Schaltung am Rad gibt auf. Es werden die bislang schlimmsten zwei Tage der Tour, doch San Francisco wartet im Abendlicht. Geiles Wetter, wahnsinniger Stolz, es geschafft zu haben. Ein Zeppelin über der legendären Gefängnisinsel Alcatraz. Leute gratulieren, dass wir aus Alaska hergefahren sind. In tiefster Dunkelheit erreichen wir den Golden Gate Park und suchen nach der Wohnung von Freunden. Gesehen habe ich die steilen Straßen oft, aber sie hochzufahren, ist die Hölle! Ich mache erst mal ein paar Tage Pause.