Das Militär füllt meine
Flaschen auf
Lasche Kontrollen an der Grenze / Kost und Logis als Lohn für
Maurerarbeiten
Am 4. Januar geht es über die Grenze nach Tijuana. Regen,
Regen, Regen! Die Wetterberichte im Internet sind so unterschiedlich,
dass sie nicht helfen. Wie kann hier Regen angesagt sein, und 30
Meilen weiter südlich in Tijuana sind Sonne und 32 Grad?!
Als es besser wird, fahre ich los nach Mexiko. Doch schon nach
fünf Minuten gießt es in Strömen. Ich kaufe ein
Straßenbahn-Ticket und warte.
Man soll die letzte Tür in jedem Waggon benutzen, doch bevor
ich dazu komme, fährt der Trolley ab. Als die Versuche Nummer
zwei und drei fehlschlagen, werde ich böse auf die Fahrer.
Sie sehen mich doch! Der nächste wartet.
An der Grenze geht es über eine Brücke nach Mexiko. Kein
US-Beamter fragt nach meinem Visum. In einem Container finde ich
das "Immigration Office" und bekomme einen Zettel, mit
dem ich zu einem anderen Container muss: In der "Bank"
zahle ich 19 Dollar Gebühr, bekomme aber das Wechselgeld in
Peso nicht korrekt heraus. Radfreunde mahnen mich per Mail, dass
ich einen Ausreisestempel aus den USA brauche, sonst komme ich nicht
wieder rein. Also zurück zur Grenze! Das Sammeltaxi bringt
mich für einen Dollar hin. Ich will rüber laufen und auf
dem Rückweg den Stempel holen. Aus dem Taxi sehe ich Stefan
vorbei radeln. Ich springe raus; auch er hat keinen Ausreisestempel.
Die US-Grenzbeamten verstehen uns nicht. Als wir nicht locker lassen,
zückt ein Beamter die Handschellen; wir trollen uns lieber.
Schließlich zeigt uns ein netter Beamter den Weg zu einem
Büro, in dem wir uns abmelden.
Beim nächsten Frühstück entscheiden wir uns für
den Bus. 10 Uhr sollte der fahren, es ist 10 nach 10. Nach dem Ticketkauf
am Busbahnhof erwischen wir noch den abfahrenden Bus, doch er hat
keinen Platz für unsere Räder. Der nächste um 14
Uhr hat Platz; das Einladen verläuft bestens, doch dann will
der Packer plötzlich 100 Peso, fast 10 Dollar. Wir weigern
uns; er soll alles wieder auspacken. Das ist ihm zu viel. Er nimmt
einen Dollar Trinkgeld, los geht's.
Am nächsten Tag Sonnenschein, aber es ist immer noch kalt.
Der Rückenwind schiebt uns nach Süden. Die Kakteen sind
riesig: mal Wälder aus Säulenkakteen, mal Massen runder
roter Kugelkakteen.
Gebühren für alles und nichts
An der Kreuzung nach Bahia de los Angeles mache ich ein Foto von
der "fliegenden Tankstelle", doch es soll drei Dollar
kosten; wir weigern uns wieder. In einem Laden fragen wir nach Wasser.
Die junge Frau zeigt uns den Hahn, doch kräht die Mutter: "Wasser
ist nur zu verkaufen". Sind hier alle so arm oder macht hat
der Tourismus sie so gierig?
20 Kilometer weiter bekommen wir an einem Militärposten alle
Flaschen aufgefüllt. Der Leutnant kann etwas Englisch und Deutsch,
er tut dort Dienst seit fünf Jahren und soll Drogendealer fangen.
Es wird in den nächsten Tagen immer wieder das Militär
sein, das mich mit Wasser, Cola und Obst beschenkt.
Dann die erste Schotterpiste: Über St. Rosalillita führt
sie ans Meer und kommt nach 35 Kilometern wieder auf die Mex 1 zurück.
Sie ist kaum befahrbar und St. Rosalillita ein Drecknest am Ende
der Welt, überall nur Müll und Autowracks. Für das
Aufstellen der Zelte wollen die Fischer zehn Dollar; wir wollen
umdrehen, können dann aber in einer Schule schlafen, die nachts
einfach offen steht; wir sind weg, ehe der erste Lehrer am Morgen
wieder auftaucht. Es folgen 100 Kilometer mit einer Kurve, einem
Dorf und wenigen Häusern. 40 Grad. Wir bewundern immer wieder
die Farben der Wüste. Blumen blühen zwischen Kakteen -
lila, weiß, gelb und orange.
Unsere Spanisch-Kenntnisse werden immer besser, langsam macht Mexiko
Spaß. Immer wieder winken uns Autofahrer zu und hupen. Von
Aggressivität auf den Straßen keine Spur. Was hörten
wir nicht alles für Horrorgeschichten! Von der Straße
werden sie euch schieben, die Trucker!
Am Nachmittag staunen wir über einen riesigen Agrar-Betrieb
im Nirgendwo. In der Nähe zelten wir zwischen Kakteen im Angesicht
eines prachtvollen Sonnenuntergangs. Unter Mond- und Sternenlicht
beginnt etwa fünf Kilometer entfernt im Agrar-Betrieb eine
heiße Party. Bei Musik schlafen wir zufrieden ein.
Ab dem nächsten Tag geht es wieder allein weiter. Eine schöne
Bucht folgt der anderen; ich fühle mich ein wenig der Karibik
näher. Schade nur, dass an jedem Strand die riesigen Wohnmobile
der Amerikaner und Kanadier stehen, die hier überwintern.
Heute komme ich ganz schön ins Schwitzen. Es kommen einige
Höhenmeter zusammen, und die Kilometer addieren sich. Bei einer
Pause nach 85 Kilometern im Schatten eines kleinen Lokals kommen
Stefan und Oliver mit einer Cola vorbeigefahren. So schnell sieht
man sich wieder.
Eigentlich wollte ich kein Geld für Zeltplätze ausgeben,
doch Manfreds Trailerpark macht für die 80 Peso einen sehr
guten Eindruck. Viele Bäume, heiße Dusche und Strom gleich
am Zelt. Dazu ein älteres Paar aus Österreich, das sich
um alles kümmert. Auf meine Frage, ob sie etwas Hilfe brauchen,
bekomme ich einen kostenlosen Zeltplatz und für den nächsten
Tag ein Mittagessen. In den Toiletten muss ein Sockel betoniert
werden. Da lege ich gern einen Tag Pause ein, bringe mein Tagebuch
auf den neusten Stand und arbeite wieder etwas.
Palmwurzeln haben den Abfluss verstopft. Die Becken müssen
25 Zentimeter angehoben werden, damit die Abwasserrohre oberirdisch
verlegbar sind, dafür muss ein Sockel von 1,20 mal 1,20 Meter
in beide Toiletten eingebaut werden. Das sollte bis Mittag zu schaffen
sein. Zwischendurch das Mittagessen (zwei riesige Kassler-Koteletts
mit Kartoffelbrei und Salat und dazu viel Cola) und Gespräche.
Auch Zeit fürs Internet, eine Dusche und das Tagebuch.
Tag der Geschenke und eine Überraschung
B eim Frühstück sehe ich: Außer Müsli und
Rosinen ist nicht mehr viel in den Packtaschen. Da bringt mir Ida,
die Frau des Hauses, ein Pfund geröstete Haferflocken, eine
Banane, zwei Grapefruits und Zitronen. Die Banane wandert ins Müsli,
Zitronen presse ich aus ins Trinkwasser.
Ich radele los; in den Seitenstraßen steht das Wasser knietief
nach nur ein paar Tropfen Regen. Im Supermarkt will ich Möhren,
Tomaten und Fladen kaufen. Doch der Pack-Gehilfe fängt ein
Gespräch an: Seine Schule beginnt 13 Uhr; davor arbeitet er
täglich im Laden.
Auf der Strecke überholt mich ein Wohnmobil mit deutschem
Kennzeichen. "RO" - habe ich das nicht schon gesehen?
Ja, in Mulege! Ich winke, und es hält. Hier sind Zufälle
im Spiel, die es nicht alle Tage gibt. Jörg und seine Frau
sind am 4. Juli mit dem Wohnmobil in Alaska gestartet, in Seward,
wie ich. Nun trifft man sich nach über 9000 Kilometern wieder.
Ich bekomme ein riesiges Stück Fleisch für die Suppe,
ein Bier und Wasser, als ein Auto hupt: Stefan und Oliver! Ist ja
was los hier.
Ich suche einen Platz fürs Zelt, doch sind an beiden Seiten
der Straße neue Zäune aufgestellt, es führt kein
Weg hindurch. An einer Pumpstation für die Gasleitung biege
ich ein paar Drähte weg und schlüpfe durch. Leider ist
es ein sehr weiter Weg durch die Kakteen, bis ich nicht mehr zu
sehen bin. Das Ergebnis: Ich habe am Morgen sehr wenig Luft auf
dem Hinterrad.
Aber die Baja liegt hinter mir; nun geht es auf's Festland.
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