Der Potsdamer Geographie-Lehrer Thomas Kühnl
betreibt Erdkunde der ganz besonderen Art: Mit dem Fahrrad erkundet
er seit Anfang Juli 2004 Nord und Mittelamerika. In seiner Heimatstadt
hatte er ein Testament verfasst, seine Wohnung vermietet und von der
Räderei Am Kanal ein Rad zusammengebaut bekommen, das ihn mehr
als 10000 Kilometer durch Frost und Hitze tragen soll. Ein Jahr hat
Kühnl für die Mega-Tour veranschlagt, die in Alaska begann
und sich nun langsam ihrem Ende zuneigt. Aber langweilig wird es nie.
Für die MAZ Potsdam berichtet er exklusiv in Wort und Bild. Hier
folgt Teil 5 des Abenteuers.
Nach Mexiko geht es Schlag auf Schlag. Es folgt Belize, dann Guatemala,
Honduras, El Salvador, Nicaragua.
Was wird mich in Belize erwarten? Es ist das vierte Land auf meiner
Reise und das gleiche unsichere Gefühl wie bei den vorigen
Grenzen. Als ich am Grenzübergang auf mexikanischer Seite ankomme,
erscheint alles etwas amerikanisch: Casino, Duty-Free-Zone, Automärkte
und Einkaufscenter. Die Grenzstation auf der Belize-Seite erscheint
dagegen sehr klein, das karibische Flair kommt mir entgegen gesprungen.
Es geht ohne jegliche Hektik zu. Der Einreisestempel sagt aus, dass
ich in einem Monat das Land verlassen muss. Ein Monat reicht für
die knapp 550 Kilometer. Als ich in Corazol über Wireless kostenlos
Bilder verschicken kann, ist alles in Ordnung.
Eigentlich wollte ich ja auf einer Mennoniten-Farm übernachten,
doch weit und breit ist keiner der Angehörigen dieser aus Holland
und Deutschland stammenden religiösen Gruppe zu sehen. Ich
umfahre Orange Walk und komme an eine riesige Zuckerfabrik. Die
Laster stehen hier tagelang an, um Zuckerrohr abzuliefern. Die Ernte
ist auf dem Höhepunkt. Die Felder werden in Brand gesteckt,
wodurch alles Unkraut verbrennt. Dann können die reifen Zuckerrohrstangen
leichter geerntet werden.
Ich genieße die untergehende Sonne, schreibe in den Laptop
und rechne die Kilometer bis zur Grenze Panamas aus. Noch 2300 –
da wäre ich ja Mitte Mai fertig. Ich muss meine Etappen kürzen.
Am Straßenrand nach Belize City warten die Schulkinder auf
ihren Bus, alle ganz schick in ihrer Schuluniform. Die Perlen in
den Haaren der Mädchen strahlen bunt. An allen öffentlichen
Gebäuden hängen Fahnen auf Halbmast: der Papst wird heute
beerdigt. Je näher ich Belize City komme, desto aggressiver
wird der Verkehr. Es gibt weniger Fahrzeuge als in Mexiko, aber
rücksichtslosere Fahrer.
Beim Tagebuchschreiben fällt mir auf, dass ich das 13000-Kilometer-Foto
verpasst habe. So gibt es „nur“ ein 13001-KilometerFoto!
Ich habe selten so viele unangenehme Typen gesehen wie in Belize
City. Diese Rasta-Männer mit roten Augen und schlechten Zähnen
quatschen mich jede Minute an. „Hey man, my name is Bob, I'm
hungry, give me money.“
Ich komme dazu, wie die alte Drehbrücke von 1923 in Betrieb
genommen wird. In der Mitte, direkt auf der Fahrbahn, wird ein Rad
eingesetzt, an dem acht Männer drehen, um die Brücke zu
bewegen. Sie wird für die Durchfahrt von ein paar alten Segelkuttern
quer gestellt.
Zusammen mit Kevin, einem Kanadier, fahre ich nach Hopkins zum
Schnorcheln. Über das Geld dafür denke ich nicht nach.
Es hat hier in Belize keinen Sinn über Geld nachzudenken, es
reicht sowieso nicht. Wir erreichen das kleine Garifunadorf am frühen
Nachmittag. Wir buchen einen Schnorcheltrip bei „Noel Schnorcheln
und Angeln“, 62,50 US-Dollar, wir werden die einzigen Passagiere
sein.
Die Tour ist in jeder Hinsicht ein Erfolg. Wir machen eine sehr
schöne Fahrt durch die kleinen Inseln und Atolle. Das Wasser
wechselt immer wieder seine Farben von azur- bis tiefblau. Die Unterwasserwelt
ist einfach nur atemberaubend. Wir sehen Hunderte von Fischen in
riesigen Gruppen oder allein und Korallen in allen Größen
und Farben. Im glasklaren Wasser kann man teils bis zu 10 Meter
tief sehen und dort Schnecken, Polypen und Schwämme erblicken.
Die Krönung für uns sind zwei riesige Rochen. |