Es ist vollbracht: Am Freitag hat Thomas Kühnl (39) das
Ziel seiner Amerika-Radtour erreicht. Nach 350 Reisetagen erreichte
der Potsdamer Geographie-Lehrer Panama-City. 181 Tage saß er
im Sattel eines Rades, das extra für ihn in Potsdam montiert
worden war und Hitze wie Kälte, Trockenheit und Regen schadlos
überstand; von platten Reifen redet keiner auf solcher Tour.
Rund 12000 Kilometer hatten es nach ursprünglicher Planung
von Alaska bis Panama werden sollen, doch stehen am Ende 15470 auf
dem Tacho. 941 Stunden musste Kühnl in die Pedale treten und
hat bergauf bergab insgesamt rund 100000 Meter Höhenunterschied
bewältigt. „Die Berge waren es, die mich so oft geschafft
haben“, berichtete er gestern: „Doch die Ausblicke waren
Höhepunkte der Reise. Ich bin im Regen aufgebrochen und in
strömendem Regen angekommen. Jetzt weiß ich, was Regenzeit
heißt. Die letzten 20 Tage war ich mehr nass als trocken und
dachte oft, ich stehe unter einer Dusche. Am Ende erinnert man sich
an die schönen Erlebnisse, das Lachen der Menschen und die
Freundlichkeit, die viele Hilfe und die Abende beim Kochen meiner
fast alltäglichen Suppen.“
Ende Juni 2004 war Kühnl nach Vancouver in Kanada geflogen,
sehr zum Missfallen der Eltern und seiner 13 Jahre alten Tochter,
die ihm fast noch die Luft abgelassen hätte vor dem Flug. Auch
seine zehnte Klasse in Berlin grübelte, etwa, ob man Kleidung
für ein Jahr mitnehmen kann. Doch 30 Kilo Last in fünf
Taschen, dabei ein Zelt mit Moskitonetz – das reichte meist,
zuweilen half ein Fahrradhänger weiter.
Ungezählte Kilometer fuhr Kühnl allein, schlief oft einsam
in der freien Landschaft, an Tankstellen und unter Brücken.
Oft begegnete er aber auch anderen Extremradlern und manchem von
ihnen auf dem Mega-Trip gleich mehrfach. Er wurde freundlich begrüßt
an vielen Orten und bewirtet mancherorts, gelegentlich beschimpft
und mit Bierdosen beworfen. Er sah phantastische Landschaften und
nervige Städte, arme und reiche Menschen, atemberaubende Schönheit
und traurigen Verfall. Jetzt ist er am Ziel.
Glücklich oder traurig? Eher glücklich, findet er: „Glücklich,
es geschafft zu haben, es gewagt zu haben und es geträumt zu
haben. Doch nur Träume bringen nicht viel, man muss es machen,
und ich kann es jedem nur empfehlen: Macht es, bevor es nicht mehr
geht. Macht es mit dem Rad oder dem eigenen Fahrzeug, so könnt
ihr anhalten, wann ihr möchtet. Macht es mit dem Rad, wenn
ihr es intensiv spüren wollt. Macht es mit nicht zu viel Geld,
um einfache Menschen kennen zu lernen. Macht es, und wenn es nur
für kurze Zeit ist. Es muss nicht ein Jahr sein und kein Kontinent.
Ich genieße es und verfluche es gleichzeitig, doch ich freue
mich auf jede weitere Minute. Und ich freue mich auf zu Hause, auf
Freunde und Verwandte, auf Sport, auf meine Arbeit, auf Zärtlichkeit
und gutes Essen. Doch ich werde es wieder tun, und wenn es erst
mit 50 ist.“
Text: Rainer Plagemann |