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17.06.2005

Ein Jahr Gegenwind

Einsam war er nicht, aber geizig zu sich selbst, sagt Extremradler Kühnl


ROBERT RUDOLF

Die windzersausten Ebenen Patagoniens – Sehnsuchtsort am Südzipfel des amerikanischen Kontinents seit den Reiseberichten des Weltenbummlers Bruce Chatwin. Das wäre es noch gewesen! Aber soweit wollte Thomas Kühnl denn doch nicht. In Panama-City war Schluss mit der Amerika-Radtour. So wie geplant.

In Potsdam und Berlin warteten Verpflichtungen auf den 40-Jährigen: Die 14-jährige Tochter, die Freundin, der Job als Geographie- und Sportlehrer an einer Privatschule.

Vor fast einem Jahr war Kühnl mit dem Fahrrad allein in Alaska gestartet, zuletzt mit einem Schweizer unterwegs. Als sich die Wege trennten, war beiden unwohl: „Der fährt weiter zur Südspitze“, dachte Kühnl. „Der hat die elenden Strapazen hinter sich“, wusste der Schweizer.

Über Kühnls Bett hängen zwei Landkarten, eine von Nord- und eine von Südamerika. Die Sehnsucht also bleibt. Mit 50 will er nochmal so eine Tour wagen.

Die Route, die er wählte, war eher leicht, räumt er jetzt ein: Das südafrikanische Kapstadt hatte er mal als Ziel erwogen, verwarf es aber genauso, wie Marco Polos Reiseweg nach Asien zu verfolgen. Die vielen Visa, die fremden Sprachen, das quälende Klima – das alles sprach dagegen. Anstrengend genug war Amerika auch so. Wenn der Wind von vorn zerrte – und das schien immer der Fall – fragte er sich oft: „Wozu machst Du das eigentlich?“ Heute mag er das nicht mehr hören, so oft wurde er das gefragt auf Rastplätzen. „Für mich selbst“, gab er den verdutzten Amerikanern zur Antwort. „Für die musste alles irgendeinen Nutzen haben, die wollten mir dauernd Geld geben, weil sie dachten, ich mache das für ein Projekt“, erzählt Kühnl mit einem Kopfschütteln.

Sorgen, das Geld könnte nicht reichen, machte er sich nicht. Extremradfahrer seien verschrobene Typen, die vor allem „geizig zu sich selbst sind“, sagt Kühnl. Auf den endlos langen und einsamen Strecken zählte er nicht nur jeden Kilometer (15470) und jede Stunde auf dem Rad (951), sondern auch jeden ausgegebenen Dollar (4634). „Man muss aufpassen, dass man aus dieser Denke raus kommt, sonst fällt man vom Sattel“.

Etwa zehn Extremradler traf er unterwegs, meist Männer jenseits der 30, alle keine Weltflüchter oder Eremiten und keine einsamen Steppenwölfe, sondern Menschen, die an ihre Grenzen gehen. Immer wieder legte er Strecken gemeinsam mit anderen Radlern zurück. Mit dem Schweizer war er drei Monate unterwegs.

Seit einer Woche ist Kühnl zurück in Potsdam, zu früh, so dass der Untermieter noch in seiner Wohnung ist. Nichts als Bürokratie habe er hier vorgefunden, stöhnt er, wie vor der Abreise. Jetzt sichtet er Fotos – für eine Dia-Show vielleicht.